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Herthas Chaos in Zeiten des Abstiegskampfes: Folge einer Präsidentschaft

“Egal wie stark die Winde wehn, egal wie hoch die Wellen stehn, der Herthadampfer fährt durch jeden Sturm”. Dieser bekannte Spruch in Anlehnung an das Hertha BSC Gründungsschiff soll die Seele des Hauptstadtvereins in schweren Zeiten verkörpern. Die Winde wehn, wie schon die letzten Jahre des Clubs, auch in dieser Saison wie ein Tornado. Am 25. Juli feiert der älteste Verein unter den aktuellen Erstligisten Geburtstag: 130 Jahre Hertha BSC. Statt am Jubiläum Erfolge zu feiern, kämpft die alte Dame in Endlosschleife mit Aufs und Abs, aktuell im dritten Abstiegskampf in der jüngeren Vergangenheit. Diese sind nicht nur auf die Leistungen des Teams, sondern auch auf die Unruhe und  fehlende Konstanz der Vereinsführung unter Werner Gegenbauer zurückzuführen.

Der Präsident des e.V., Werner Gegenbauer, derzeit in seinem vierzehnten Amtsjahr, steht besonders unter zunehmender Kritik. Der Unternehmer, der schon seit seiner Kindheit dem Verein verbunden ist, wurde zuletzt im Oktober 2020 ohne Gegenkandidaten mit dünner Mehrheit (54%) und unter Pfiffen in seine vierte Amtszeit gewählt.

Der einzige Präsident in Herthas Vereinsgeschichte, der eine längere Amtszeit als Gegenbauer für sich behaupten kann, war Wilhelm Wernicke. Wernickes Präsidentschaft von 1909 bis 1933 mit kurzen Unterbrechungen bleibt aufgrund der Meisterjahre 1930 und 1931 als die erfolgreichste Zeit des Vereins unvergesslich. Gegenbauers Amtszeit wiederum ist durch Chaos und Abstiegskämpfe gekennzeichnet.

Die einstige Berliner Nummer eins ist vom Erzrivalen, dem 1. FC Union Berlin, entmachtet worden. Als Werner Gegenbauer 2008 zum Präsidenten gewählt wurde, war der Verein aus Köpenick ein Drittliga-Club. Spult man 14 Jahre vor, ist die Realität eine andere: Union aus dem Osten hat die Hertha aus dem Westen überholt und wird sich höchstwahrscheinlich in dieser Saison wieder für den europäischen Wettbewerb qualifizieren. Hertha BSC dagegen kämpft wiederholt um den Erhalt in der Bundesliga und macht sich laut den Hertha-Ultras “öffentlich zum Gespött”.

Fehlende Konstanz und Unruhe

Seit 2008 haben die Herthaner es nur drei Mal in die obere Hälfte der Bundesliga geschafft. Zwei Saisons musste die Profimannschaft des Vereins in die 2. Liga absteigen. In der gleichen Zeitspanne, wurde 16 Mal der Trainer gewechselt – sechs allein in den letzten zweieinhalb Jahren. Darüber hinaus war die Spielerfluktuation seit 2019 mit 29 Zugängen und 41 Abgängen immens hoch. Mit nur noch 2 Spielen vor Saisonende, versucht sich Hertha auch in diesem Jahr wieder über Wasser zu halten, den Klassenerhalt zu sichern und sich vor dem Abstieg zu bewahren.

Zur fehlenden Konstanz auf dem Rasen kommt die Unruhe innerhalb des Vereins hinzu. Schlagzeilen wie “Hertha BSC in der Krise: Großes Chaos statt Big-City-Club”,  “Werner Gegenbauer, der Absturz-Präsident”, “Hertha BSC droht zu implodieren” oder “Fremdschämen in seiner größten Form” führt zu einer Grundstimmung, die während des aktuellen Abstiegskampfes fehl am Platz ist. Laut Fans und internen Quellen führt der Chaos innerhalb des Vereins zu einer Grundstimmung, dass Hertha den Platz in der Bundesliga nicht verdient hat.

Die Untätigkeit der Vereinsführung ist in vielerlei Hinsicht sichtbar. Vor allem in der Stadionfrage bleibt der lang ersehnte Wunsch eines eigenen Hertha-Stadions unbeantwortet. Im Disput mit dem Berliner Senat war es nicht der Repräsentant des Vereins, Werner Gegenbauer, der das Problem in die Hand genommen hat, sondern Herthaner, die sich ehrenamtlich und vereinsunabhängig als “Blau-Weisses Stadion” zusammengeschlossen haben, um mit den Politikern in Gespräche zu gehen und sich so für eine Lösung einsetzen.

Aus den großen Plänen kaum Ertrag erzielt

Hertha BSC wirtschaftlich zu festigen, ohne dabei sportlich abzustürzen ist die Devise Gegenbauers. In den letzten 14 Jahren ist ihm dies jedoch nicht gelungen. Hertha BSC wies für das Geschäftsjahr 2018/2019 ein Minus von 26 Millionen Euro vor – eine Zahl die zeigt, das der Verein nicht gut gewirtschaftet und über den eigenen Verhältnisse gelebt hat. Vor drei Jahren dann der Hoffnungsschimmer, als der Verein stolz den bislang größten Investoren-Deal der Bundesligageschichte offiziell bekannt gab. So erklärte der damalige Hertha-Sportchef Michael Preetz im Sommer 2019: “Diese Zusammenarbeit ist richtungsweisend für unseren Verein. Wir sind uns bewusst, dass kontinuierliche und fortschrittliche Arbeit unsere Chancen im immer härter werdenden Wettbewerb stetig steigern wird.”

Obwohl in den letzten drei Jahren finanzielle Stabilität gegeben war, hat der Verein keines seiner Ziele erreicht. Dies führt zum Schluss, dass die finanzielle Aufstellung nicht wirklich der Kern des Problems war. Die ständigen Wechsel von Spielern, Trainern und Führungspositionen, die seit 2019 auf die insgesamt 374 Millionen Euro Investition von Lars Windhorst folgten, haben den negativen sportlichen und finanziellen Trend nicht stoppen können.

Im Vergleich mit Vereinen mit deutlich geringerem Budget wird deutlich, dass innerhalb der alten Dame Fehlentscheidungen getroffen wurden: Der SC Freiburg, aktuell Viertplazierter der Bundesliga, gab in den vergangenen drei Saisons 41,35 Mio. für Spielereinkäufe aus. Deutlicher wird es im Vergleich mit Erzrivale Union Berlin, der in den vergangenen drei Jahren, seit der Rückkehr in die Bundesliga, nur 29,30 Millionen für Spieler ausgegeben hat und derzeit auf dem 7. Tabellenplatz steht.

Bei Hertha BSC wiederum wurden seit der Transferperiode 2019/2020 offenbar rund 170 Millionen Euro in neue Zugänge gesteckt. Aber wie heißt es so schön – Hochmut kommt vor dem Fall. Die Herthaner beendeten die vergangenen zwei Spielzeiten auf Platz 10, 14, und aktuell 15. Im November 2021 erklärte Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic in einer Medienrunde gegenüber dem Magazin “Forbes”: “Ein Großteil der Investitionen ist jetzt sowieso weg”. Laut Herthas Finanz-Geschäftsführer Ingo Schiller belief sich das Defizit in der Saison 2020/2021 auf 78 Millionen Euro. Aus den großen Plänen ist kaum Ertrag erzielt worden.

Als Repräsentant von Hertha BSC zeigt sich Werner Gegenbauer schweigsam zu der bisherigen Kritik an seinem Amt. Auf Anfrage von Sportfreax gab es keine Rückmeldung. Das Problem Auszusitzen scheint seine Strategiewahl zu sein.

Aufsichtsratmitglied Bernd Schiphorst lehnte auf Nachfrage eine Stellungnahme zu den momentanen Schlagzeilen ab. Der Amtsvorgänger von Gegenbauer, der Hertha BSC von 2000 bis 2008 leitete und in diesem Zeitraum zur sportlichen Konsolidierung des Vereins beitrug, wollte seine Meinung zu den aktuellen Geschehnissen nicht in die Öffentlichkeit tragen.

Luft wird dünner für den Präsidenten

Die Luft scheint für Werner Gegenbauer dünner zu werden. Laut Berliner Kurier hat Hertha-Vereinsmitglied Sebastian Stargard Ende März einen offiziellen Abwahlantrag gegenüber Werner Gegenbauer an die nächste Mitgliederversammlung im Mai eingereicht. Auf Anfrage kommentiert Stargard: “Werner Gegenbauer ist das Hauptproblem. Er lässt im Verein kein Miteinander zu. Es gibt für ihn nur ihn selbst oder ein Übereinander”. Gefragt nach der Unterstützung innerhalb des Clubs fügt Stargards hinzu, dass fast niemand Werner Gegenbauer weiter im Verein haben möchte.

In einer Stellungnahme zur aktuellen Situation bei Hertha BSC Harlekins Berlin ‘98“ fordern die Ultras des Vereins: “Windhorst und Gegenbauer raus! Nur so kann der Grundstein für eine Entwicklung im Verein gelegt werden, die am Ende dazu führt, dass wir uns alle wieder mit unserer Hertha identifizieren können.”

Am 29. Mai wird sich bei der Mitgliederversammlung zeigen, ob die Mehrheit der Herthaner für die Abwahl des Präsidenten stimmt, mit dem Hoffnungsschimmer, dass in dem Skandalverein endlich Ruhe einkehren möge.

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